Sommerinterview der Tagespresse im August 2013 mit Peter Gottstein

1. Ein Jahr gibt es ein neues Stadtoberhaupt in Eisenach. Was hat sich aus ihrer Sicht in der Arbeit und Zusammenarbeit zwischen OB und Rat verändert?

Im Stadtrat verfügt die Oberbürgermeisterin nicht über eine eigene Mehrheit. Folglich ist sie auf ein möglichst breites mehrheitliches Votum aus dem Stadtrat angewiesen. Aber um dieses zu erreichen, vermisse ich ihre aktive Rolle. Ich erkenne keine Bemühungen der Oberbürgermeisterin, ausdrücklich in allen Fraktionen, selbstverständlich ausgenommen die NPD, mit Leidenschaft und innerer Beteiligung um Unterstützung zu werben. Ich vermisse zum Beispiel im Vorfeld kritischer Beschlüsse umfassende, direkte und persönliche Informationen der Fraktionen durch die Oberbürgermeisterin. Ich könnte mich nicht erinnern, dass Katja Wolf bei mir oder bei meiner Fraktion vor kritischen Beschlüssen aktiv um Unterstützung geworben hat. Stattdessen lässt sie - ob bewusst oder unbewusst - will ich nicht beurteilen, in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen, gewisse Fraktionen lassen mich nicht. Zumindest aber für die BfE kann ich sagen, wir sind im Interesse der Stadt stets zur konstruktiven Zusammenarbeit bereit. Natürlich haben auch wir unsere Überzeugungen und Grundsätze, aber unsere Hand ist immer ausgestreckt. Sie muss jedoch auch von Katja Wolf ergriffen werden.

2. Wie kann es gelingen, diese Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt zu verbessern?

 Wie ich bereits sagte, es muss mehr informiert, es muss mehr miteinander geredet werden, es muss mehr Gesprächsangebote geben. Dies ist vor allem erst einmal eine Aufforderung an die Stadtspitze. Das bedeutet nicht, dass künftig der gesamte Stadtrat wie zu einer Zeit, die wir alle nicht wiederhaben wollen, allem zustimmt. Aber das gegenseitige Verständnis für die jeweilige Meinung könnte auf die Weise jedenfalls gestärkt werden. Leider ist auch wahr, dass bestimmte Parteien mit Anfragen und Anträgen, aber auch in der Art, wie sie begründet werden, um es einmal vorsichtig zu sagen, nicht gerade zur Harmonie einer politischen Auseinandersetzung beitragen. Wir von dem BfE haben uns an solchen zum Teil persönlichen Auseinandersetzungen nie beteiligt, wir sind stets sachlich geblieben und wir werden auch weiterhin keine Anträge und Anfragen einreichen, die nur darauf ausgerichtet sind, wieder einmal Erwähnung in der Lokalpresse zu finden oder zu zeigen, dass die Oberbürgermeisterin angeblich ihre Arbeit nicht gemacht hat. Dies vor allem ist es nämlich, was leider zu einer gewissen Vergiftung der Arbeitsatmosphäre im Stadtrat beiträgt.

3. Warum ist aus ihrer Sicht das Klima im Stadtrat regelrecht vergiftet? Warum findet sich dort kein breites Bündnis, um die Stadt gemeinsam voranzubringen? Warum kann man nicht zusammen an einem Strang ziehen? Warum versucht mancher sein eigenes Süppchen zu kochen und dem anderen nur eins auszuwischen?

Im Grunde ist diese Frage bereits mit meinen Vorschlägen, wie die Zusammenarbeit im Stadtrat verbessert werden kann, beantwortet. Ich will jedoch noch ergänzen, dass die Behauptung der Frage, es gäbe kein breites Bündnis, um die Stadt voranzubringen, nicht zutrifft. Nehmen wir das Haushaltssicherungskonzept, oder das Schulnetz, alles schwierige Themen, letztlich hat sich der Stadtrat immer zu einer von der Mehrheit getragenen Entscheidung über jede politische Grenzziehungen hinweg durchgerungen. Im Übrigen teile ich durchaus den Eindruck des Fragestellers, dass einige ihr eigenes Süppchen kochen und in der Argumentation unsauber agieren. Warum das so ist, darüber will ich nicht spekulieren. Das müssen Sie schon bitte die betreffenden Stadtratsmitglieder direkt fragen.

4. Wo sehen Sie die Prioritäten in der Arbeit für die kommenden Wochen und Monate in Eisenach?

Es ist natürlich schwierig, diese Frage zu beantworten, wenn man bedenkt, wie viel in Eisenach insgesamt noch zu tun ist. Dennoch will ich einige Punkte aufzählen, aber nicht ohne darauf hinzuweisen, dass meine Aufzählung nicht als Wichtung zu verstehen ist und dass mir schon klar ist, dass Vieles davon angesichts der finanziellen Lage der Stadt vorerst Wunschdenken bleibt. Dennoch seien hier einige Punkte genannt. So finde ich zum Beispiel, dass Eisenach für die Radfahrer deutlich aufgewertet werden müsste. Es gilt das noch sehr spärliche innerstädtische Radwegenetz zu komplettieren und auch die Ortsteile Schritt für Schritt besser einzubinden. Ein weiterer Schwerpunkt sind die ganz oder teilweise gesperrten Brücken in Eisenach. Hier wiederum an erster Stelle die Brücke in der Naumannstraße. Uns ärgern auch Baulücken, verfallende Gebäude, ich denke nur an das Hotel zur Stadt Eisenach, wo es aus unserer Sicht der Stadt an Initiative und Einsatz fehlt. Und es gilt, die kulturelle Vielfalt der Stadt, Theater, Sommergewinn, Vereine zu sichern, indem man auch einmal ungewöhnliche Wege geht, zum Beispiel den der Gründung von Stiftungen oder Bürgervereinen. Ich bin im Übrigen überzeugt, dass dies Themen sind, wo ein breites Bündnis im Stadtrat über alle Fraktionen hinweg leicht zu erreichen sein dürfte.

5. Welche Vor- und Nachteile für Eisenach sieht Ihre Fraktion hinsichtlich des geplanten Rückbaus der B 19 von Eisenach über die Hohe Sonne nach Wilhelmsthal?

In der Tat ist mit der B 19 Verlegung im neuen Entwurf VK4m von Seiten des Landes eine Sperrung der B 19 vom Marienthal zur Hohen Sonne im Gespräch. Die Verkehrsteilnehmer sollen dadurch zur Nutzung des geplanten, ca. 3 km langen Tunnels gezwungen werden. Bisher befindet sich das allerdings erst einmal alles in der Abstimmung. So steht die Anhörung der Stadt Eisenach erst noch bevor. Die BfE sehen eine komplette Sperrung jedenfalls kritisch, weil sie eine Beeinträchtigung des Tourismus im Umfeld der Stadt Eisenach für die Besucher wie auch die Bürger selbst bedeuten würde. Wir sind im Gegenteil dafür, die Anbindung der Hohen Sonne als ein Tor zum Rennsteig durch Ausbau des dortigen Parkplatzes zu verbessern. Zudem dürfte eine Sperrung die Anbindung der angrenzenden Gemeinden jenseits der Hohen Sonne durch den öffentlichen Nahverkehr deutlich verschlechtern. Und schließlich würde der Zielverkehr nach Eisenach, der ursprünglich über die Hohe Sonne und das Marienthal die Stadt erreicht hätte, nunmehr in die Oststadt verlagert, womit dort die Verkehrssituation weiter verschärft werden würde. Die BfE plädieren aus diesen Gründen dafür, keine Sperrung vorzunehmen, aber Einschränkungen des Lkw Verkehrs, der Tonnage und der Geschwindigkeit vorzunehmen. Außerdem setzen uns dafür ein, alle Interessengruppen, Bürgerinitiativen, ebenso den Stadtrat und den Umweltausschuss einzubinden, um auf diese Weise einen möglichst breiten Konsens herbeizuführen.

6. Sollten die auf dem „Tor zur Stadt“-Gelände geplanten Parkplätze nicht besser in einer Tiefgarage angesiedelt werden? Dann könnte der Bereich darüber städtebaulicher besser gestaltet werden, als Vorbild könnte das Atrium in Weimar dienen.

Ob das Atrium in Weimar mit seinem mehrgeschossigen Kubus ein Vorbild für die Bahnhofstraße in Eisenach ist, muss stark hinterfragt werden. Das Bauwerk ist nicht mit dem Tor zur Stadt gleichzusetzen, weil die städtebaulichen Gegebenheiten nicht vergleichbar sind. Die Stellplätze in Weimar mussten nämlich unter dem Innenhof des Gauforums angeordnet werden, weil im Bereich des Gauforums oberirdisch aus denkmalpflegerischen und städtebaulichen Gründen kein Parkhaus errichtet werden durfte. In Eisenach muss eine endkontaminierte Brache mehrgeschossig vom Nikolaitor bis zum Bahnhof geschlossen werden. Über den Ladengeschäften ist über zwei Geschosse ein Parkhaus geplant, das in dem Gebiet dringend benötigt wird. Würde man die Stellplätze unter die Erde bringen, müssten über dem Einkaufscenter dennoch mindestens zwei weitere Vollgeschosse errichtet werden, um der Höhe der vorgegebenen Bebauungstextur zu entsprechen. Aber bestimmt will niemand, dass auf die Weise weit mehr Gewerbefläche als vorgesehen errichtet wird. Zudem hat bereits jeder selbst erlebt, wie unwohl man sich in einer unterirdischen Tiefgarage fühlt. Wichtiger als die unnötige Diskussion um das Parkhaus ist den BfE eine ansprechende Gestaltung des Tors zur Stadt, insbesondere im Dachbereich. Und wir halten an unserer Forderung fest, dass hier ein Kongresszentrum zu integrieren ist.

7. Wie wollen Sie in Zukunft die Bürger an der Planung von städtebaulichen Projekten beteiligen, bevor der Stadtrat entscheidet?

Wir BfE haben uns immer dafür eingesetzt, die Planungsprozesse bei bedeutenden Bauvorhaben durch eine Arbeitsgruppe zu begleiten. Diese Praxis, nehmen wir nur das Tor zur Stadt, hat gezeigt, dass hierbei gute Ideen eingebracht werden und die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt werden. Die Interessen des Nahverkehrs, des Gewerbes, der Architektenkammer, des Förderkreises zur Erhaltung von Eisenach und vieler anderer wurden ebenfalls durch deren gewählte Vertreter verfochten. Auch kommt dem Bauausschuss wie dem Stadtrat eine erhöhte Verantwortung zu, der wir uns auch mit Rechenschaft stellen. Noch weitere Personen in einen komplexen Planungsprozess einzubinden, ist hingegen kaum vorstellbar und wenig zielführend, denn hier geht es nicht um Bauchgefühl oder um schöngeistige Wünsche, sondern um die Vorstellungen und wirtschaftlichen Interessen eines Bauherren, der auf Gesetze und deren Einhaltung vertrauen muss. Natürlich haben alle Bürger ein Recht auf umfassende Information über Entscheidungsprozesse und über entscheidende Sachfragen. Der Öffentlichkeits- und Pressearbeit der Stadt kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu. Ich appelliere aber auch an alle Bürger, sich über ausliegende Bebauungspläne zu informieren und sich einzubringen.   

8. Warum dulden Sie wie alle anderen Parteien im Rat immer wieder Verstöße und Tricksereien bei der Einhaltung der Erhaltungssatzung und der Baugestaltungssatzung für die Südstadt und überlassen dem Bauausschuss kritiklos die Sanktionierung von Verstößen?

Die Satzungen sind Ortsrecht und deren Einhaltung ist vornehmlich für die Bestandsgebäude bzw. für Gebäude innerhalb des Satzungsgebietes bestimmt. In den Satzungen selbst sind bereits Ausnahmen geregelt, die auf Antrag und in Abstimmung mit der Verwaltung vom Bauausschuss genehmigt bzw. abgelehnt werden. Dies erfolgt innerhalb der Satzung. Der Vorwurf von Verstößen oder Tricksereien ist unbegründet, denn der Maßstab für die Abweichung von Satzungen sollte eben gerade nicht das kleinliche Festhalten am Text der Satzung sein, sondern die Planung der baulichen Qualität im Umfeld der vorhandenen Bebauung. Jede Generation muss ihren eigenen Baustil finden und prägen. Da sollte man durchaus auch einmal den Mut finden, über den Tellerrand hinauszuschauen. Für uns heißt dies: Keine Regel ohne Ausnahme. 

9. Warum ist es so schwierig in dieser Stadt die Belange des Breiten- und des Spitzensportes zu vereinen?

Gemäß Thüringer Sportstättengesetz ist Stadt für die kostenfreie Bereitstellung von Sportstätten für die Vereine zuständig. Die Stadt unterhält drei eigenständige Sporthallen und zehn Schulsporthallen, die alle auch für den Vereinssport genutzt werden. Die von der Stadt übernommenen Betriebskosten liegen jährlich bei weit über 400.000 EUR. Damit geht die verschuldete Stadt Eisenach über ihre tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit hinaus. Dennoch hat die Stadt bisher auf eine Beteiligung der Nutzer an den Betriebskosten verzichtet. Erst ab 2014 sollen in Umsetzung des Haushaltssicherungskonzeptes 10 % der Betriebskosten durch die Nutzer getragen werden. Wir treten dafür ein, einen Katalog abrechenbarer Eigenleistungen zu erstellen, die es den Vereinen ermöglicht, dadurch auch ohne finanzielle Belastung der Mitglieder ihren Anteil der Betriebskosten zu übernehmen. Einen Konflikt zwischen Breitensport und Spitzensport, wie in der Frage suggeriert, vermag ich dennoch nicht zu erkennen. Zum einen werden Jugendliche und Kinder auch weiterhin von der Beteiligung an den Betriebskosten ausgenommen. Und zum anderen ist es noch immer gelungen, die jeweilige Nutzung zwischen öffentlicher Nutzung, dem Breitensport und dem Spitzensport aufeinander abzustimmen. Dabei mag im Einzelfall (zum Beispiel beim Aquaplex oder der Werner Aßmann Halle) eine gewisse Priorität für Sportvereine gesetzt sein, die an Wettkämpfen teilnehmen. Dies halte ich aber für vertretbar, denn erfolgreiche Sportvereine, wie zum Beispiel unser THSV sind zugleich auch Botschafter der Stadt und entwickeln eine nicht zu unterschätzende Hebelwirkung für den Tourismus und den Mittelstand.

10. Die Stadt steckt gerade viel Geld in den Brandschutz an Schulen. Hatte das vorher weniger Priorität, und wenn Ja warum?

Die in der Frage erhobene Behauptung, die Stadt investiere gerade jetzt besonders viel Geld in den Brandschutz der Schulen, trifft nicht zu. Vielmehr ist dies ein permanenter Prozess, bei dem es für die Stadt infolge der strengen Vorgaben der Thüringer Schulbaurichtlinie und der regelmäßigen Gefahrenverhütungsschau nur geringen Ermessensspielraum gibt. Es liegt allerdings auf der Hand, dass nicht alle Schulen zur gleichen Zeit modernisiert bzw. umgebaut werden können. Folglich können auch nicht überall gleichzeitig alle gesetzlich vorgegebenen Brandschutzmaßnahmen baulich realisiert werden. Es gibt eine in den Ausschüssen des Stadtrates permanent aktualisierte Prioritätenliste, die natürlich beachten muss, dass die Verbesserung des Brandschutzes allein schon aus Gründen des sinnvollen Einsatzes von Steuermitteln zuerst an jenen Schulen vorzunehmen ist, deren Bestand sicher ist und für die eine Komplexsanierung vorgesehen ist. Da in der Vergangenheit die Schulnetzplanung wiederholt Veränderungen unterworfen wurde, verzögerte dies zwangsläufig an einigen Schulen bauliche Maßnahmen, und damit auch jene, die der Verbesserung des Brandschutzes dienen. Darüber hinaus ist die Stadt bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen auf die Schulinvestitionspauschale des Landes und einen genehmigten Haushalt angewiesen. Eine Kontinuität in der Umsetzung des Brandschutzes ist daher nur insoweit gegeben, wie sie im Finanzrahmen der städtischen Gebäudewirtschaft geplant und vom Stadtrat beschlossen wird.

11. Wo sehen Sie die Prioritäten für Investitionen in den kommenden Monaten und Jahren in Eisenach? Mit welchen Anträgen und Vorschlägen wird Ihre Fraktion in den kommenden Monaten die Entwicklung der Stadt zu befördern suchen?

Schwerpunkt für uns bilden Investitionen, bei denen Fördermittel eingesetzt werden können. Hier wäre der Lutherplatz zu nennen, die Esplanade, auch die Goldschmiedenstraße und natürlich auch der Karlsplatz. Bevorzugt sollten Aufgaben in Angriff genommen werden, die dazu beitragen Eisenach im Rahmen der Lutherdekade touristisch aufzuwerten. Was nun unsere noch geplanten Anträgen und Vorschläge anbelangt, werde ich an dieser Stelle natürlich nicht alles verraten. Aber so viel will ich dann doch sagen, dass wir gerade im Energiebereich bei den städtischen Objekten erhebliche finanzielle Einsparpotenziale sehen. Wir halten an unserer Forderung nach einem Baumkataster und nach dem Schließen von Baumlücken bei den Straßenbäumen fest. Ebenso werden wir unser Ziel der Brötchentaste, also der ersten Viertelstunde kostenloses Parken in der Stadt nicht aufgeben. Darüber hinaus habe ich ja bereits eine Menge von Problembereichen der Stadt Eisenach erwähnt, und ich kann Ihnen versichern, im Interesse der Stadt und der Bürger Eisenachs und im Rahmen unserer kontinuierlichen, sachlichen und kooperativen Arbeit werden wir BfE uns bei allen diesen offenen Themen auch weiterhin aktiv engagieren!